PrologExpositionKommuniqueDialog
la terre est bleue comme une orange
Paul Eluard
 
 
 
awards
Preis für Introduktion schwedischer Kultur im Ausland 2001
verliehen durch die Schwedische Akademie Stockholm

Karl-Heinz Zillmer-Preis 1996
für verdienstvolles verlegerisches
Handeln
verliehen durch die Hamburgische Kulturstiftung
 
Preis für das Verlegen schwedi-
scher Literatur im Ausland 1996
verliehen durch Sveriges Författar-
fond Stockholm
 
 
exhibitions
Westfälischer Kunstverein Münster
1999
Kleinheinrich Bücher und Kunst
 
Stedelijk Museum Amsterdam
1999
Kleinheinrich kunstenaarsboeken
 
 
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Werner Irro Buchstaben und Striche auf Papier 
Ein Literatur- und Kunstverlag mit eigenem Gesicht: Kleinheinrich
Auszugsweise veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau am 28.04.2001 
 
Decke der Verlagsräume
 
 
 
 
 an muss nur suchen.
 Zwischen der Abteilung
 „Buchkunst“ und der
erzählerischen wie gestalterischen
Meterware der großen Buchkon-
zerne gibt es noch Platz, auch
wenn es manchmal nicht danach
ausschaut. Man muss nur ein
wenig suchen, zum Beispiel nach
hellen, oft nur vom gebrochenen Weiß des Kartons gefärbten Buch-
rücken. Darauf wie immer Autor,
Titel, und zuunterst der Verlag:
„Kleinheinrich“. Man zieht das
Buch aus dem Regal, nimmt es in
seine Hände, schlägt es auf, und
irgendwo wird man zufällig, zu
lesen beginnen: „Wenn nichts
mehr da ist / wofür man es tut, /
mit dem man es tut // hört es von
selbst auf. / Die Finger verlassen
ihre Hand // und lassen die Hand
los. (...)“
Die Augen ruhen aus, der Blick
wird in die Weite der Seiten
hineingezogen, das Buch liegt angenehm in der Hand. 
 ine andere Welt öffnet sich,
 eine, die einem mit viel
 freiem Raum begegnet,
mit Textblöcken von Prosa, mit
lichten Strophen von Gedichten,
manchmal mit künstlerischen
Arbeiten. Vorausgesetzt man
steht in einer Buchhandlung, die
mehrere Titel des Verlags in ihren
Regalen bereithält, kann man den
Vorgang wiederholen. Es werden
einem immer neue Varianten
begegnen wie die Seiten gestaltet
sind, Text alleine, Text mit Bild,
zweisprachige Ausgaben, Text mit
gegenüberliegender leerer Seite
usw. Leicht wird man sich fest-
lesen in diesen Büchern, die fast
immer etwas höher und breiter
sind als gewöhnlich, die Ruhe
ausstrahlen.
„So viel Dinge gibt es /
die es nicht gibt, wie es Dinge /
nicht gibt, die es dennoch gibt. /
/ Warum Schönheit dann nicht enthüllt: / bis zur Leere, Leere die atmet (...)"
 
 
 
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die Büroräume des Verlags
 ei Hans Faverey, dem bei
 uns vollkommen unbe-
 kannten Lyriker oder, wie
man ebenso fortfahren könnte:
einem, wenn nicht dem größten
niederländischen Dichter der
letzten Jahrzehnte - bei Hans
Favereys Gedichten kann man
sofort verweilen, sein insistieren-
des Suchen, sein Beobachten und
Reflektieren wird schnell zum
eigenen Verlangen. Gegen das
Vergessen heißt der zweispra-
chige Gedichtband bei Kleinhein-
rich, der einzige Titel, der auf
Deutsch von ihm vorliegt. Nicht
einmal 200 Exemplare sind seit
Erscheinen 1991 davon verkauft
worden. Etwas unsicher mag sich
mancher Leser den Büchern des
Kleinheinrich Verlags nähern, hat
er die Namen der Autoren in
vielen Fällen doch noch nie zuvor
gehört. Überrascht wird er zweier-
lei feststellen: In ihrer Heimat
zählen sie oft zu den großen und
wichtigen Schriftstellern, und dass
sie bei uns nur ein Schattendasein
führen, sagt vor allem etwas aus
über unsere Aufmerksamkeit für
so genannte literarische Rand-
bezirke.
 
 
 
 in Lyriker wie der Islän-
 der Snorri Hjartarson, lebte er noch, könnte heute so-
fort neben Inger Christensen bei
Poesieveranstaltungen auftreten,
er würde mit naturnahen, leicht
elegischen Sprachbildern sofort in
seinen Bann ziehen, Ähnliches gilt
etwa für Paal-Helge Haugen,
einen norwegischen Autor.
Mit der dänischen Autorin Inger
Christensen ist Kleinheinrich zu
einem frühen Zeitpunkt seiner
Tätigkeit hingegen blendend ge-
lungen, wonach jeder Verleger
sucht. Die Erzählung Das gemalte
Zimmer erschien 1989, begeis-
terte Besprechungen folgten,
schnell war die erste Auflage ver-
griffen. Weitere folgten, ebenso
andere Titel der Autorin, insge-
samt sechs betreut der Verlag
derzeit. Inger Christensen gehört
heute unwidersprochen zu den
wichtigen, wenn auch leisen Stim-
men der Europäischen Literatur.
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 leinheinrichs Passion sind  die Literaten Skandina-
 viens und der Niederlande.
Als er seinen Verlag gründete,
eröffnete er fünf Reihen: „Däni-
sche Literatur der Moderne“, sie
ist die umfangreichste, bis heute
sind 15 Titel erschienen, „Norwe-
gische Literatur der Moderne“ (7
Titel), eine schwedische, islän-
dische sowie eine niederländische
Reihe. Bei einem Studienjahr in
Kopenhagen hatte ihn die Aufge-
schlossenheit der Künstler und
Intellektuellen für deutsche Lite-
ratur überrascht. Während das
Interesse der Deutschen für
skandinavische Autoren zu oft in
der Vergangenheit von einer
trüben Mystifizierung alles „Nor-
dischen“ gespeist war und folglich
nach ´45 abrupt abbrach, hatte
man umgekehrt längst zu einem
normalen, von Kenntnis gepräg-
ten Verhältnis gefunden.
Wieder zurück in Münster machte
sich Josef Kleinheinrich daran,
Herausgeber für die jeweiligen
Nationalliteraturen zu finden, mit
denen zusammen er sein erstes
Verlagsprogramm plante. 15
Jahre später ist sein Verlag längst
vom Pionier zum Dreh- und
Angelpunkt für die literarische
Moderne Skandinaviens und der
Niederlande bei uns avanciert. 
 
 
 
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 as ist der eine Teil. Über
 40 ausgesucht schöne,
 sorgfältig edierte Bände
mit Prosa, Lyrik, Romanen. Die
Hälfte von ihnen mit Zeichnungen
oder anderen Kunstreproduktio-
nen versehen: Josef Kleinheinrich
besitzt ein sicheres Gespür dafür,
wie Literatur und Kunst zueinan-
der passen. Das fängt bei einem
Raum an, der dem Künstlerischen
in einem Buch zugestanden wird
(so lässt er den Zeichnungen in
einem Gedichtband schon einmal
eine komplette leere Doppelseite
folgen), es reicht bis zur eigen-
ständigen, aufeinander abge-
stimmten Komposition von Text
und Bild. Der Berliner Künstler
Bernd Koberling etwa hat zu den
Gedichten Snorri Hjartarsons
Aquarelle gemalt, abstrakte
„Wasserfarben“. Sie stellen weniger Stimmungen als Kons-
tellationen dar, vielleicht Inter-
pretationen, in jedem Fall aber in
sich selbst begründete Entwürfe.
 ie andere Variante
 präsentiert der Band
 Selbstbildnis eines ande-
ren: Zu 33 Zeichnungen von Max
Neumann verfasste Cees Noote-
boom Texte. Auch sie keine „Be-
schreibungen“, sondern „Textbil-
der“, so Nooteboom: „als Echo,
aber doch unabhängig, als Spie-
gel, aber dennoch eigenständig“.
Entstanden ist eine Prosa, deren
Rätselhaftigkeit und Leichtigkeit
man die Freiheit anzumerken
meint, sich von Bildfantasien lei-
ten lassen zu können, ohne Rück-
sichten, ohne Stringenz. Eine
noch radikalere Verschiebung des
Verhältnisses von Bild und Text
führt Henri Michaux mit seinen
Bildbeschreibungen des Werks
von René Magritte vor: Beim Träu-
men über rätselhaften Bildern.
Hier rufen die meist nur wenige
Sätze kurzen Texte die unsicht-
baren Bilder vor das geistige
Auge des Lesers, die freigehal-
tene linke Buchseite wird zur
Fläche, auf der die imaginierten
und erinnerten Bilder Platz finden.
Michaux´ Bild-Meditationen legen
die Spuren in den Bildern frei, in
denen der Betrachter seine eige-
ne Zeit zum Sprechen bringt.
 
 
 
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 n den letzten Jahren hat
 Kleinheinrich das Spannungs-
 feld Worte – Bilder in einer
ganzen Zahl von Büchern direkt thematisiert. Eine prominente
Stellung kommt dabei dem hier
zu Lande fast ausschließlich als
Maler und Bildhauer bekannten
Per Kirkeby zu. Kleinheinrich hat
bislang mehrere Gedichtbände
sowie Bücher mit Zeichnungen
dieses Künstlers, der in verschie-
denen Ausdrucksformen gleicher-
maßen zu Hause ist, verlegt.
Zuletzt hat Kirkeby exklusiv für
den Verlag vier Radierungen zu
einem Wittgenstein-Text geschaf-
fen. In limitierter Auflage (180
Exemplare), numeriert und
die Büroräume des Verlags 
signiert (Preis: 1800 DM), ist
dabei ein Buch entstanden: Blei-
satz, die Radierungen auf Japan-
Papier gedruckt, sorgfältigst ge-
bunden -, das der Idealvorstel-
lung des Verlegers nahe kommt:
„Es ist bibliophil, etwas Besonde-
res, es ist schon ein Buch, wie es
nicht alle Tage vorkommt, aber trotzdem auch noch ein Buch, das man benutzen kann.
Es ist nicht so wertvoll, so extrem, dass man es nur im Bücher-
schrank hat oder sogar im Tresor,
sondern man kann es wirklich bei
sich haben, immer wieder hervor-
holen, darin lesen und damit ar-
beiten.“ In diesem Sommer bietet
Kleinheinrich als nächste Edition
sechs Celan-Gedichte mit sechs
eigens geschaffenen Radierungen
von Lüpertz zur Subskription an.
 
 
 
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 as ist die andere Seite
 der Arbeit des Verlegers.
 Ambition, Ästhetik und
wirtschaftliches Denken gehen bei
dieser Form „Künstlerbuch“ eine
attraktive Liaison ein. Dass er
vermehrt in solche Projekte in-
vestiert, hat freilich auch mit dem
für literarische Titel zunehmend
unberechenbarer werdenden Um-
feld zu tun. Kleinheinrichs Bücher
bewegen sich im kollabierenden
Buchmarkt der Großverlage wie
selbstbewusste Außenseiter.
Bewusst hält Kleinheinrich an seinem Entschluss fest, seinen
Verlag nicht mit Wachstumsambi-
tionen zu betreiben. Auch weiter-
hin will er allesalleine machen:
„Ich will einfach für jedes Buch,
das ich verlege, auch da sein,
nichts soll über Zweite oder Dritte
entschieden werden. Für mich als
Verleger besteht die Aufgabe da-
rin, den Texten oder den Bildern
oder diesen beiden künstlerischen
Ausdrucksweisen eine entsprech-
ende Buchform zu geben. So, wie
sich das Buch dann präsentiert,
ist es das Gesicht des Verlags.“
Die Verlagsräume mitten 
in Münster unterstreichen
diesen Anspruch. Vermut-
lich wird es nicht viele literarische
Verlage geben, die ihre Gäste
ähnlich stilvoll empfangen. Durch
die herrschaftlich weiß gestriche-
ne Eingangstür blickt man zu-
nächst auf ein Sprossenfenster in
einem kleinen, sehr hohen Raum,
zu dem man leicht – nicht nur des
einen, großformatigen Ölbildes
wegen – Galerie assoziiert.
Wenige ausgesuchte Möbel, altes
Parkett, ein einziger kleiner Sta-
pel mit Büchern. Eine hölzerne
Wendeltreppe führt nach oben,
dort bildet ein ovaler Raum das
Gelenk zwischen diesem in der
Tat gelegentlich für Ausstellungen
genutzten Eingangsbereich und
den sich anschließenden Verlags-
räumen.
"BuchKunst Kleinheinrich" lautet
die Gravur auf dem Messing-
schild an der Tür, "Kleinheinrich
Münster" steht auf dem Verlags-
prospekt. Nicht Understatement
spricht aus der zurückgenomme-
nen visuellen Form, in der der
Verlag sich darstellt, sondern das
klare Wissen, wie das auszu-
sehen hat, was man macht.
 
 
 
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 rbeiten auf Papier heißt
 eine weitere literarische
 Reihe des Verlags, Jabès,
Egger, Michaux, Kling, Mayröcker
sind einige der Autoren, die hier
mit einem Titel glänzen. Vielleicht
zeigen diese schlichten, klassi-
schen Bücher am trefflichsten des
Verlegers Philosophie: Auch Texte
Der Verlag
sind, vergleichbar Zeichnungen,
zunächst einmal Arbeiten auf
Papier. Auch ein Buchstabe ist nur
ein Strich, den ein Autor zieht -
für den einen eine Hieroglyphe,
ein Universum für den anderen.
Kleinheinrich entkleidet künstler-
ische Arbeit ihres Scheins, um ihr
 
 
 
 
mit Sorgfalt, schwarzer Drucker-
kunst und einem sicheren Gespür
für Materialien einen gültigen,
möglicherweise ihren eigentlichen
Ausdruck zu geben. Das ist die
ganze Kunst: Buchstaben und
Striche auf Papier.
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